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Biologie: Veröffentlichung in Signal Transduction and Targeted Therapy
Neuer Regulator des Essverhaltens – Ansatz für Adipositas-Behandlung?

Ein Forschungsteam der Universität Leipzig (UL) und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) hat entdeckt, dass ein Rezeptor im Gehirn eine wichtige Rolle bei der Regulation der Nahrungsaufnahme spielt. In der Fachzeitschrift Signal Transduction and Targeted Therapy beschreiben die Forschenden, dass Tiere ohne diesen Rezeptor mehr fressen, adipös werden und Diabetes entwickeln können. Möglicherweise gilt dies auch für den Menschen.

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Mikroskopaufnahme eines Hirnschnitts durch den Hypothalamus. In Rot ist der Rezeptor Latrophilin 1 zu erkennen, die Zellkerne sind blau eingefärbt. (Bild: Universität Leipzig / Albert Ricken)

Die Zahl von Menschen mit Übergewicht oder sogar Adipositas steigt stetig. Dies stellt weltweit ein gravierendes medizinisches Problem dar. Neben dem Lebensstil spielen auch genetische Faktoren eine entscheidende Rolle, wenn Übergewicht entsteht.

Wissenschaftler aus verschiedenen Fachrichtungen der UL und der HHU haben jetzt einen weiteren Regulator des Essverhaltens identifiziert. Es handelt sich um den Rezeptor „Latrophilin-1“ (Adgrl1/Lphn1). Er gehört zu den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren; seinen Namen erhielt er aufgrund seiner Bindungsfähigkeit zum Nervengift der schwarzen Witwe, dem Latrotoxin. Bisher waren verschiedene Funktionen im Gehirn – wie die Ausbildung und der Aufbau von Synapsen – bekannt, jedoch gehörte die Steuerung der Nahrungsaufnahme nicht dazu.

In ihren Untersuchungen konnten die Teams um Dr. Doreen Thor (UL) und Prof. Dr. Simone Prömel vom Institut für Zellbiologie der HHU zeigen, dass der Rezeptor Latrophilin-1 sowohl in den Hirnregionen, die das Essverhalten steuern, als auch im Fettgewebe präsent ist. Er ist somit am Energiestoffwechsel beteiligt. Mäuse, denen dieser Rezeptor fehlt, nehmen verstärkt Nahrung und haben eine verringerte körperliche Aktivität. Die Jungtiere weisen zunächst Normalgewicht auf, entwickeln aber innerhalb von vier Monaten ein signifikantes Übergewicht. Dies führt zu einem signifikanten Übergewicht sowie den bekannten Begleiterkrankungen wie Fettleber und Diabetes mellitus.

Darüber hinaus identifizierten die Forschenden eine Rezeptorvariante bei einer übergewichtigen Patientin. In der Zellkultur zeigte sich, dass die Rezeptorvariante nicht vollständig funktioniert. Dies deutet darauf hin, dass der Rezeptor nicht nur im Tiermodell, sondern auch beim Menschen für die Entwicklung einer Adipositas von Bedeutung sein kann.

„Unsere Arbeit zeigt, dass noch nicht alle Komponenten, die die Nahrungsaufnahme regulieren, bekannt sind. Dabei können auch Rezeptoren eine Rolle spielen, an die bisher noch niemand gedacht hat“, sagt Dr. Doreen Thor.

Prof. Dr. Simone Prömel, die weitere Korrespondenzautorin der Studie: „Mit den Ergebnissen haben wir einen neuen Ansatz, um die Regulation der Nahrungsaufnahme und die Entwicklung von Adipositas besser zu verstehen. Zukünftige Studien sollen weiter klären, ob der Rezeptor als potenzieller Angriffspunkt in der Forschung zu Übergewicht dienen kann.“

Das Forschungsprojekt ist eine Zusammenarbeit verschiedener Arbeitsgruppen der Universität Leipzig und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Unter anderem sind Wissenschaftler des Graduiertenkollegs GRK 2576 „vivid“ an der HHU beteiligt.

Originalpublikation

Dietzsch AN, Al-Hasani H, Altschmied J, Bottermann K, Brendler J, Haendeler J, Horn S, Kaczmarek I, Körner A, Krause K, Landgraf K, Le Duc D, Lehmann L, Lehr S, Pick S, Ricken A, Schnorr R, Schulz A, Strnadová M, Velluva A, Zabri H, Schöneberg T, Thor D, Isabell, Prömel, S., Dysfunction of the adhesion G protein-coupled receptor latrophilin 1 (ADGRL1/LPHN1) increases the risk of obesity. Sig Transduct Target Ther 9, 103 (2024)

DOI: 10.1038/s41392-024-01810-7

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Kategorie/n: Schlagzeilen, Pressemeldungen, Math.-Nat.-Fak.-Aktuell, Forschung News
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